„In the Studio“ mit Young Jarus

Young Jarus ist einer der bekanntesten Street Art-Künstler aus Kanada. Seine Bilder und Murals sind in der ganzen Welt verteilt. Ende April war er für knapp eine Woche in Berlin und hat sichtbare und schön anzusehende Spuren hinterlassen. Zusammen mit dem argentinischen Künstler Francisco Bosoletti hat er die antike Sage von Daphne und Apollo adaptiert und ein riesiges Mural in der Wassertorstraße 65 in Berlin Kreuzberg gestaltet

Wo kommst Du ursprünglich her / wo lebst du aktuell?

Ich wurde in Saskatchewan geboren. Es ist eine Prärie-Provinz in der Mitte von Kanada, wo der größte Teil des Weizens von Kanada wächst. Meine Kindheit verbrachte ich hauptsächlich im Freien.

Aktuell lebe ich in Toronto, dort habe ich ein kleines Studio, in dem ich lebe und arbeite. Die meiste Zeit bin ich jedoch, wenn ich nicht gerade irgendwo auf der Welt arbeite, in meinem Truck in Kanada und den USA unterwegs. In Toronto selbst bin ich vielleicht maximal vier Monate im Jahr.

Young Jarus in der …

… Vergangenheit?

Mit der Kunst fing ich im Alter von vier oder fünf Jahre an. Meine Oma, sie war eine Aquarell-Künstlerin, hat mich darin bestärkt  und ich habe es geliebt. In der Highshool ging ich das Thema Kunst professioneller an und legte den Grundstein für meine heutige Arbeit.

Wo ich aufgewachsen bin, kommt man nicht wirklich mit Street Art oder Graffiti in Berührung.  Güterzüge waren damals die einzige Möglichkeit diese beiden Kunstformen zu Gesicht zu bekommen. Der Güterverkehr ist einerseits das wirtschaftliche Rückgrat Kanadas und ermöglichte andererseits die Entstehung eine gute Kunstszene und Street Art Kultur. Durch die Güterzüge sah ich das erste Mal Graffiti und großformatige, figurative Arbeiten von anderen Künstlern.

… Zukunft

Letztes Jahr war ich in vielen Ländern unterwegs, deshalb möchte ich es dieses Jahr ein wenig langsamer angehen  Im Anschluss zu den Arbeiten für die gemeinsame ONE WALL mit Bosoletti in Berlin werde ich zurück nach Hause fliegen. Ich möchte in diesem Jahr vorwiegend in abgelegenen Gegenden arbeiten und mir mehr Zeit für meine Kunstwerke nehmen – ein Monat für ein Mural zum Beispiel!

Dein Lieblingsmaterial?

Ich bevorzuge harte, flache Pinsel. Aber offen gestanden sind für mich alle Materialien interessant und wichtig. Ich mag es neue Materialien zu testen und herauszufinden, wie ich diese für meine Zeichnungen nutzen und kombinieren kann.

Hast Du einen Favoriten unter deinen eigenen Werken?

Ich mag die von mir bemalten Güterzüge aus dem Jahr 2013 sehr. Sie sind das ehrlichste und aufrichtigste was ich je gemacht habe. Ich habe mich damals voll auf die Arbeit konzentriert und hatte keine Erwartungen ob, wie und von wem ihnen Beachtung entgegengebracht wird.

Hast Du einen Lieblingskünstler?

Es gibt viele Künstler, die ich sehr verehre. Eine gute Mischung aus klassischen Meistern und zeitgenössischen Künstlern. Es geht mir dabei nicht immer primär um die Kunstwerke an sich, sondern auch darum, wie die Künstler arbeiten, wohnen und leben und wie sich dieser Lebensstil in ihren Werken widerspiegelt.

Deine größte Inspiration?

KWEST! Er für mich ein wahrer Mentor und Inspiration zugleich. Dank ihm und seiner Erfahrung habe ich viel über das Leben als Künstler gelernt.

Neben ihm war natürlich meine Großmutter eine große Inspiration. Ohne sie wäre ich niemals bzw. nicht so früh mit Kunst in Berührung gekommen.

Du hast einen Wunsch frei! Was wünschst Du dir?

Mein eigenes kleines Studio im Wald in einer nachhaltig gebauten Hütte, samt eigenem Hund.

Gibt es eine berühmte oder bekannte Person, die gern einmal porträtieren möchtest?

Ich beobachte das Leben, male Leute und Charaktere, die ich unterwegs treffe. Jedes Bild ist ein einzigartiger Avatar für eine Stadt, eine Stimmung, Erinnerung oder meist eine Person.

Für mich spielt es daher keine Rolle, ob jemand berühmt ist oder nicht. Ich habe damals angefangen meine Freunde zu malen und heute male ich Menschen, die ich irgendwo treffe oder mit denen ich etwas verbinde. Zu besonderen Anlässen, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Bosoletti, verwende ich Menschen als Motiv, die ich persönlich kenne. Der Apollo zum Beispiel ist ein enger Freund von mir. Er hat einen ähnlichen Charakter wie der antike Apollo, nur lebt er in der heutigen Zeit.

Pop, Punk oder Electro?

Country Musik.

Legal vs illegal?

Illegal, aber für mich fühlt es sich oft an, als ob es keinen Unterschied gibt.

Warum nimmst Du am URBAN NATION ONE Wall Projekt teil?

Ich habe Yasha (Direktorin UN) das erste Mal 2013 getroffen. Wir waren zusammen bei einer Veranstaltung von Wall Therapy in Rochester. Wir haben uns im Anschluss bei verschiedenen Events, wie der Art Basel, erneut getroffen und sind in Kontakt geblieben. Irgendwann hat sie sich bei mir gemeldet und gefragt ob ich Lust hätte mit Francisco Bosoletti gemeinsam ein Mural zu gestalten. Da ich Francisco bereits sehr lang kenne und ich das Thema rund um Apollo und Daphne extrem gut fand, habe ich mich sehr schnell dazu entschlossen mitzumachen.

Gibt’s eine Geschichte zum Kunstwerk für URBAN NATION?

Kurz die Story des Murals zusammengefasst: Apollo macht sich über Eros lustig. Der sinnt auf Rache und schießt einen goldenen Pfeil auf Apollo. Dieser verliebt sich daraufhin unsterblich in die Nymphe Daphne. Diese wiederum wurde von Amor mit einem Pfeil aus Blei beschossen und empfindet die Begierde von Apollo seitdem als extrem lästig. Um seinen Avancen zu entfliehen, lässt sie sich von ihrem Vater in einen Lorbeerbaum verwandeln. Doch selbst den liebt Apollo abgöttisch. Um seine geliebte Daphne immer in seiner Nähe zu haben, kürt er den Lorbeerkranz zu einer seiner Insignien.

Francisco hatte die großartige Idee die antike Geschichte von Apollo und Daphne zu adaptieren. Ich kenne Francisco seit vielen Jahren. Wir haben uns das erste Mal in Mexico City getroffen und ich mochte seine Arbeit vom ersten Moment an. Als er und Yasha mir von der Idee erzählten war ich sofort Feuer und Flamme. Ich mochte die Story von Anfang an, denn jeder kennt eine Person, die eine tragische Liebesgeschichte erlebt hat oder unter unerwiderten Gefühlen litt. Zudem hatte ich relativ schnell eine Person vor Augen, die ich für den Apollo verwenden wollte. Ein guter Freund von mir ist wie Apollo, also war für mich das Motiv schnell klar.

Ich habe Francisco von meinen Ideen und Skizzen erzählt. Wir haben uns dann noch ein paar Mal über das Konzept, die Komposition und die Interaktion zwischen den beiden Charakteren ausgetauscht und dann ging es auch schon ans Werk!

photos by Nika Kramer