
MY ONE WALL – KUNST UND KIEZ – QUARTIEREN EINE STIMME GEBEN
- März 2, 2022
Kreuzberg 36: Im Wassertorkiez bespielen sechs ONE WALLS die Gebäudefassaden. Verwirklicht wurden diese monumentalen Bilder im Rahmen des Projekts „ONE WALL – eine Wand, eine Künstler*in, eine Botschaft“. Seit 2014 lädt das URBAN NATION Museum international bekannte KünstlerInnen ein, sich mit der jeweiligen Umgebung auseinanderzusetzen, durch ihre Bilder Botschaften zu verbreiten und somit Kunst und Quartier zu verknüpfen.
Wie werden diese Botschaften dort wahrgenommen – besonders von Kindern? Und wie wäre es, wenn die Kinder selbst ihre eigene Umgebung erkunden und mit ihren persönlichen Botschaften gestalten würden?
„Es ist eine Welt ohne Farben. Die Pistole bringt die Farben wieder zurück. Die schießt die ganze Zeit und danach wird alles bunt“, sagt zum Beispiel Bilal zu seinem Werk.

Im Projekt „MY ONE WALL“ sind im Oktober 2021 Wandmotive entstanden, die nicht nur die Walls bespielen – sie geben darüber hinaus Kindern eine Stimme in ihrem eigenen Kiez und laden dazu ein, mit Kinderaugen die Welt zu reflektieren. Begleitet wurden die Schüler und Schülerinnen der Klasse 4d von dem Künstler Markus Georg @markeasy_ und dem Lehrer André Schuhmann von der Otto-Wels-Grundschule – gefördert wurde das Projekt von dem Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung, @kulturprojekteberlin, dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sowie der Stiftung Berliner Leben.
„Ich habe einen Müllsack ausgedruckt und habe bunte Kreise und Quadrate benutzt. Die Quadrate und Kreise sollen der Müll sein. Wenn wir Müll auf den Boden schmeißen und nicht auf die Erde achten, wird es heißer und heißer, dann schmilzt das Eis und dann sterben die Pinguine und die Eisbären“, erklärt Mina ihr Bild und Lukas erzählt: „Ich hab eine Sonne mit Bällen gemalt. Dann habe ich Striche gemacht. Der kleinste Strich zeigt, was ich liebe. […] Die Bälle sind ausgedruckt, ausgeschnitten und ausgemalt.“ Dagegen beschäftigt Danyal das Thema Gewalt: „Auf meiner Wand ist eine Faust. Viele Leute werden verletzt, am meisten in Kreuzberg. Man erkennt, dass ich gegen Gewalt bin. Ich habe dieses Bild gemacht, weil ich will, dass keine Gewalt hier in der Nähe ist. Ich habe Klebeband und Klebepunkte benutzt. Das rote Ding soll wie bei einem Verbotsschild das X sein.“

Die Aussagen der Kinder zeigen, dass sie eine Botschaft plastisch umgesetzt haben. Mit dem Projekt haben sie nicht nur eine Kunstform und ihre Techniken kennengelernt, sondern mit ihnen experimentiert. Die Kinder haben neben einem Kiezrundgang zu den ONE WALLS einen Überblick über die Geschichte der Streetart erhalten und gemeinsam die Ausstellung „Martha Cooper – Taking Pictures“ im URBAN NATION Museum besucht. In einem erlebnisreichen Rundgang konnten sie das Werk der Fotografin entdecken, „ein Werk, das die Entwicklung von Graffiti, Street-Art und der Hip-Hop Kultur nicht nur dokumentiert hat, sondern auch für die weltweite Aufmerksamkeit dieser Subkultur verantwortlich ist.“, betont Markus Georg.

Die jungen Künstler wurden auch bald zu Nachwuchsreportern ihrer eigenen Erfahrungen und Gedanken: Welche Themen beschäftigen sie am meisten und welche würden sie für ihr Wandbild auswählen? Und hier schlägt das Herz des Projekts – Markus Georg beschreibt treffend: „Doch auch wenn die ONE WALLS zum ‚visuellen Tagesablauf‘ der Kinder gehören, eine Auseinandersetzung mit den Inhalten dieser war wichtig und richtig. Denn oft sind es auch für die Kinder relevante Themen, wie Gleichberechtigung, Vielfalt oder einfach nur Liebe, die dort großformatig behandelt werden.“
Die Zusammenarbeit zwischen dem Klassenlehrer und dem Künstler und Vermittler wurde in der Schule weitergeführt: „Vorbereitend hierzu fand in der Klasse eine Art Galerie-Rundgang statt. Hier konnten die Kinder die bereits gesehenen ONE WALLS als großformatige Prints noch einmal erleben und hatten nebenbei die Möglichkeit, Gedanken und Assoziationen dazu aufzuschreiben…“
Daraufhin konnten die Kinder mit der Ausarbeitung ihrer Wandbilder beginnen und aus dreizehn verschiedenen schwarz-weißen Postermotiven wählen, auf denen verschiedene Hauswände aus dem Kiez abgebildet waren. „Mit diesen Vorlagen hatten die Kinder nicht nur die Möglichkeit, großformatig zu arbeiten, sie mussten ihre Entwürfe teilweise auch an die ungewöhnlichen Proportionen der Wände anpassen.“ Und somit entstanden Motive als „Paste-Up“ (tapezierte Bilder aus Einzelteilen), als „Stencil“ mit Hilfe der Schablonentechnik, als „Tape“ mit Klebeband und als Mosaik, Linienzeichnung oder Druck.

Mit kurzen Texten erläuterten die Kinder, was sie mit ihren Entwürfen weitergeben wollen und präsentierten ihre eigenen Projekte zum Abschluss in der großen Runde: „Menschen sind so, wie sie sind! Ich habe zwei Menschen gemalt, eine Frau und einen Mann. Sie haben verschiedene Klamotten […]. Und andere Haarfarben und Schuhe“, erläutert Güven. So vielfältig wie die Kinderpersönlichkeiten sind auch die ausgewählten Themen: „Ich habe hier viele Frauen und Mädchen gemalt. Eine Doktorin, eine Polizistin […] Es soll aussagen: Du kannst die Augen zumachen und Dir alles denken und alles sein und Dir alles wünschen“, so Elif. Das gemeinschaftliche Leben, soziale, poetische Auseinandersetzungen, die brennenden Themen Corona und Klima wurden hier aufgegriffen sowie die Zukunftsgestaltung, das Erfüllen der eigenen Träume und die Stärke in der Zerbrechlichkeit.
„Es gab eine Blume, die hat eine Schneeflocke gesehen. Dann hat die Schneeflocke sie verletzt und die Blume ist krank geworden. Sie hat ihre Blätter verloren und ist zum Kaktus geworden“, sagt Beysa.

An diesem Projekt sind nicht nur die Kinder gewachsen, sondern auch das Quartier. Die Kompositionen der Kinder wurden an den Gebäudefassaden angebracht und ihre Plakate werden in einem externen Lernort ausgestellt, in der Kiezstube am Kastanienplatz.
„My ONE WALL“ wurde im Oktober 2021 von Künstler Markus Georg aka @markeasy_ und Lehrer André Schuhmann realisiert. Das Projekt wird gefördert durch den Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung @kulturprojekteberlin & den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, sowie die Stiftung Berliner Leben.



Künstler Mark Georg
Fotos: Sebastian Kläbsch
Text: Geneviève Debien
Und wer auf Großformaten experimentieren möchte, kann die schwarz-weißen Postermotive hier herunterladen.