Niels ­Shoe Meulman. Shoe Is My Middle Name.

Shoe Is My Middle Name. Niels ­Shoe Meulman. 2016

Graffitikünstler, Kalligraph, Maler, Typograf – Meulmans berufliche Identitäten drehen sich seit langem um das geschriebene Zeichen. “Shoe Is My Middle Name” vereint diese jahrzehntelangen Umlaufbahnen in einem Gravitationsfeld und präsentiert einen Überblick über die bisherige Karriere, dessen Umfang und Gewicht den schwungvollen Gesten des Künstlers entsprechen. Fotografien von Wandgemälden, Leinwänden und Gedichtrollen sind chronologisch angeordnet, wirken jedoch rhythmisch und spiegeln die sich wiederholende Muskelgedächtnis wider, das Buchstaben in Bilder verwandelt.

Die ersten Kapitel erinnern an einen frühreifen Teenager aus Amsterdam, der nach seiner Begegnung mit Dondi White den New Yorker Wild-Style nach Europa importierte, während spätere Seiten dokumentieren, wie sich diese Gewandtheit im Umgang mit urbanen Schriftzeichen zu dem entwickelte, was Kritiker als „Calligraffiti“ bezeichneten. Tintenflecken, breite Pinselstriche und Rakelspuren zeugen von Meulmans Engagement für einen kompromisslosen Stil: Sobald die Farbe auf die Oberfläche trifft, gibt es, wie er schreibt, „keine halben Sachen mehr”. Zitate, Tagebuchauszüge und das ganzseitige Gedicht „A Writer’s Song” unterstreichen die Bilder und verankern großartige Abstraktionen in einer autobiografischen Stimme, die sowohl prahlerisch als auch nachdenklich ist.

Designentscheidungen verstärken die Wirkung der Arbeit. Ein azurblauer Farbauftrag und ein gepunkteter schwarzer Bildschirm ziehen sich durch das gesamte Werk und verbinden Studioaufnahmen mit Besen auf dem Dach und Galerieböden, die noch feucht von verdünntem Acryl sind. Das Layout lässt den Bildern viel Weißraum, sodass Flecken und Verläufe atmen können; gelegentliche Ausklappseiten zwingen die Leser dazu, selbst eine kleine Geste des Entfaltens auszuführen, die den physischen Ansatz des Künstlers widerspiegelt.

Ein Essay von Carlo McCormick positioniert Meulman als „Kreuzbestäuber”, der die DNA des Graffitis zurück über den Atlantik trug, während kurze Bildunterschriften die Technik analysieren, ohne in Anleitungen zu verfallen. Das Gesamtergebnis ist weder ein Manifest noch ein Werkverzeichnis, sondern das Porträt eines kontinuierlichen Experimentierens – eines Schriftstellers, der sich weigert, einen Stil einzufrieren, selbst wenn er ihn in gedruckter Form verewigt.

Für private und institutionelle Bibliothekssammlungen mit Schwerpunkt auf zeitgenössischer Typografie, Graffiti-Geschichte oder hybriden Malpraktiken bietet Shoe Is My Middle Name eine fundierte, visuell beeindruckende Referenz. Die Mischung aus großformatigen Reproduktionen, Archivmaterial und Primärquellen macht es zu einer unschätzbaren Quelle für Wissenschaftler, die die Entwicklung der Post-Wild-Style-Schrift verfolgen, und für Künstler, die nach Beweisen dafür suchen, dass disziplinierte Handfertigkeiten noch immer neue Wege beschreiten können.

 Text: Steven P.Harrington und Jaime Rojo   Fotos: Eveline Wilson