„Unsere Wohnmaschine“ – oder wie Kinder einen Wohnblock neu erfinden

  • by Geneviève Debien

Im Rahmen des Programms Stadtraum!Plus luden das URBAN NATION, die Pallasseum KG, die Spreewald-Grundschule und der Bildhauer Thomas Bratzke eine Gruppe von 12 Kindern dazu ein, ein Wohnensemble zu verstehen, zu reflektieren und neu zu denken.

Ankerpunkt der Projektwoche im Oktober 2021 war das Pallasseum in Schöneberg, ein denkmalgeschützter Wohnblock, fertiggestellt im Jahre 1977 und entworfen in Anlehnung an die revolutionären Bauvisionen Le Corbusiers vom Berliner Architekten Jürgen Sawade.

An jenem ungewöhnlichen Schultag machten sich die Kinder zuerst auf dem Weg zur Entdeckung dieser gigantischen Wohnmaschine. Mit 514 Wohnungen beherbergt sie ungefähr 2.000 Menschen. Hier konnten sie erkunden, was sich der Architekt Sawade dabei gedacht hatte und ob er seine Pläne tatsächlich umsetzen konnte. Dazu hatte der Künstler Bratzke die Entwürfe der ursprünglichen Ausstattungspläne recherchiert. Die Kinder wurden eingeladen, unzugängliche und öffentlich zugängliche Räume des Pallasseums zu besuchen, ihre daraus entstandenen Wahrnehmung zu formulieren und das Projekt weiterzudenken: Kann man an die Vision des Architekten anknüpfen, seine Pläne weiterentwickeln und sogar eigene Visionen entwerfen?

In Wort und Bild formulierten die Kinder ihre Ideen und Wünsche. Und welcher Ort ist dafür nicht besser geeignet als das Dach des Pallasseums?! Dort schlug das junge Team sein Lager unter Anleitung von Thomas Bratzke auf.

In einer Art selbsterrichtetem Freiluftatelier werkelten die Kinder über den Dächern Schönebergs an ihrer Version einer Wohnmaschine, einem Miniaturmodell des Pallasseums. Das Holzmodell spiegelt die Erfahrungen der Kinder mit der Wohnanlage wider und gibt Einblicke in Ihre Träume und Wünsche bezüglich des dortigen Zusammenlebens. Alles durfte verändert werden, bis es schließlich zur Herausbildung einer lebendigen und überraschenden Vision „Unserer Wohnmaschine“ kam. 

„Am meisten gefällt mir an diesem Projekt, dass nach unserer Meinung gefragt wird.” sagte eine Schülerin, die gemeinsam mit ihren Freundinnen einen Sportparcours für die Wohnmaschine plante. Da ihre Grundschule direkt neben dem Pallasseum gelegen ist und einige der Mitschülerinnen und Mitschüler auch selbst dort leben, brachten sie Expertenwissen mit, denn sie wussten genau um die Qualitäten und Herausforderungen des Gebäudes. So kümmerte sich jede Kleingruppe jeweils um einen Bereich, den sie nach eigener Phantasie an mehreren Vormittagen gestaltete. 

Während die einen ihren Trampolinparcours künstlerisch ausarbeiteten, maßen, sägten, klebten und hämmerten andere an Gaming-Rooms, Swimmingpools und Wasserrutschen. Für die Kinder war das Arbeiten am Modell an diesem außergewöhnlichen Ort auf dem Dach eine besondere Möglichkeit, ihr Lebensumfeld nochmal ganz anders wahrzunehmen und ihren eigenen Wünschen Ausdruck zu verleihen. Während eines kleinen Festakts mit den Eltern wurde das Modell präsentiert und fand in der Spreewald-Grundschule einen festen Ort der Aufstellung. Auf die Frage hin, was die Kinder aus diesem Projekt für sich mitnehmen, antwortet eine Schülerin klar: „Eine wunderschön gestaltete Erinnerung, die ja vielleicht sogar in die Realität umgesetzt werden kann.”

Fotos: Sebastian Kläbsch

Beteiligte Personen