
IN THE STUDIO mit Christian Böhmer
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- März 26, 2018
URBAN NATION hatte die große Ehre, Ende März den Kölner Street Artist Christian Böhmer in Berlin begrüßen zu dürfen. Sein Markenzeichen sind Bilder und Malereien mit Menschen, die eine Papiertüte auf dem Kopf tragen, einerseits als Maskierung, aber auch als abstraktes Mittel zur Konstruktion einer Uniformität, die den Einzelnen zum Teil einer undefinierbaren Masse werden lässt.
Wir haben den Künstler während seiner Arbeit für das Community Wall Projekt der URBAN NATION getroffen. Wer wissen möchte, wie Christian Böhmer auf die Idee mit der Papiertüte kam und in welchen Situationen er sich gern selbst eine über den Kopf ziehen mag, der sollte unbedingt weiterlesen!
Wo kommst Du ursprünglich her / Wo lebst Du aktuell?
Ursprünglich komme ich aus einem kleinen Kaff in der Nähe von Mainz. Vor zehn Jahren bin ich nach Köln gezogen. Hier gibt es eine wesentlich größere und heterogene Kunstszene als in meiner Heimat und hier habe ich auch mein Atelier im schönen Ehrenfeld.
Christian Böhmer in der…
… Vergangenheit?
Ich habe eigentlich schon immer gezeichnet. Mitte der 90er Jahre habe ich, wie viele Jugendliche, mit einfachen Graffitis angefangen, also nachts auf der Straße unterwegs sein und Häuserwände taggen. Damals gab es in Wiesbaden eine der größten Graffiti-Halls auf dem ehemaligen Schlachthof. Dort war ich dann viel unterwegs, denn das hatte mehrere Vorteile: Es war legal, man hatte Zeit für seine Malereien und musste nicht illegal in Nacht und Nebel Aktionen und unter Stress sein Bild fertigmachen. Zwei bis drei Jahre habe ich dann dort weiter Graffitis gemalt und fing dann mit den ersten Characters an, die ich dann auf Leinwand gemalt habe.
… Gegenwart?
Aktuell fahre ich zweigleisig. Ich habe einen regulären Job in einem Büro für Innenarchitektur, der ist die finanzielle Basis für meine Kunst. Nach der Arbeit geht’s dann von ungefähr 16 bis 0 Uhr ins Atelier Zentrum Ehrenfeld, wo ich dann male oder shoote.
… Zukunft?
Meine Vision ist natürlich, in wenigen Jahren mich zu 100 % meiner Kunst widmen und auch davon leben zu können.
Dein Lieblingsmaterial ist…?
Buntstifte auf Papier! Meine Bilder sind sehr detailreich und von daher brauche ich einfach ein sehr filigranes Instrument, um auch die kleinsten Details abbilden zu können.
Dein persönlicher Favorit unter deinen eigenen Werken?
Puh, das ist echt schwer zu beantworten! Denn jede Arbeit steht für eine ganz eigene Idee und ist meistens mit einer sehr individuellen Geschichte verknüpft.
Aber mein erster Bleistiftsketch ist für mich etwas sehr Besonderes. Der ist noch nie ausgestellt worden und ist wirklich sehr simpel. Ich habe damals ein Mädchen mit Papiertüte auf dem Kopf gezeichnet und diese Zeichnung war retrospektiv die Initialzündung für meine heutigen Arbeiten. Denn vorher habe ich zwar viel gemalt, aber ohne ein zentrales Element mit Wiedererkennungswert.
Dein Lieblingskünstler/-kunstwerk?
Da gibt’s unzählige und ich habe Angst, wenn ich jetzt welche nenne, dass ich dann jemanden vergesse. Aber auf jeden Fall Gustav Klimt und aus der Gegenwart Erik Jones, dessen Mix aus Realismus und Abstraktion mich sehr inspiriert. Herakut und Maya Hayuk finde ich auch noch ziemlich geil.
Deine größte Inspiration?
Die Models mit denen ich zusammenarbeite. Ich arbeite regelmäßig mit sechs bis acht Modellen zusammen, mit denen ich mich dann mehrere Tage am Stück einschließe und shoote. Meistens habe ich eine grobe Idee oder ein paar Bilder im Kopf bevor wir loslegen. Die eigentliche Inspiration für meine Werke erfolgt dann aber erst im Anschluss vom Shooting, wenn ich mir die Bilder anschaue und aus der Idee ein Motiv wird, das ich dann umsetze.
Du hast einen Wunsch frei – was wünschst du Dir?
Was mich wirklich maßlos ärgert, ist Ungerechtigkeit aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft oder sonstiger Merkmale. Von daher wünsche ich mir Gerechtigkeit für alle Menschen!
In welchen Situationen würdest Du dir gern eine Papiertüte auf den Kopf setzen?
In manchen stressigen Situationen wäre so eine Papiertüte schon hilfreich. Aber um ganz ehrlich zu sein: Es gab in der Vergangenheit das ein oder andere Interview, bei dem ich gern eine Papiertüte dabeigehabt hätte!
Pop, Punk oder Elektro?
Blues, Funk und Soul!
Legal vs illegal?
Beides hat seine Berechtigung. Illegales Arbeiten bietet die größtmögliche Freiheit, um sich ungezwungen weiterentwickeln zu können.
Drinnen oder draußen?
Heute wäre mir drinnen lieber gewesen. Aber grundsätzlich arbeite ich gern draußen.
Warum nimmst Du am Community Wall Projekt der URBAN NATION teil?
Yasha von URBAN NATION ist auf meine Arbeiten aufmerksam geworden, hat mich via Instagram kontaktiert und mich gefragt, ob ich Lust hätte, nach Berlin zukommen. Ich finde es ist ein wirklich großartiges Projekt und ich habe zudem die Möglichkeit, mich mit tollen Künstlern auszutauschen. Außerdem mag ich Berlin, bin jedes Mal aufs Neue geflasht vom Drive und den vielen Impulsen, die diese Stadt mir gibt.
Gibt’s eine Geschichte zum Deinem Kunstwerk für die URBAN NATION?
Das Motiv stammt aus meinem letzten Photoshooting. Ich habe vorab von URBAN NATION ein Foto von der Wand erhalten, die ich bemale. Ich habe mir die Gegebenheiten angeschaut und bin dann durch meine Photos gegangen. Ich wollte ein Bild, das die gesamte Fläche der zur Verfügung gestellten Wand ausfüllt und gleichzeitig ein Mix aus Realismus und Abstraktion darstellt.



