
Fresh A.I.R. #9 Abschlussausstellung
- ARTIST IN RESIDENCE
- Fresh A.I.R. #9
- PROJECT SPACE
- Oktober 7, 2024
UNSUPERVISED: Childhood Dreams & Fantasy Rebels
Am 01. November 2024 feierten wir die Eröffnung der Abschlussausstellung unseres 9. Fresh A.I.R.-Jahrgangs. Zwölf Künstler*innen aus acht europäischen Ländern haben sich zehn Monate lang dem diesjährigen Thema „UNSUPERVISED: Childhood Dreams & Fantasy Rebels“ gewidmet. Unsere Artists würdigen das freie Spiel und die kindliche Fantasie als kreative Kraft und kulturbildenden Faktor und erkunden das Thema mit unterschiedlichsten künstlerischen Ansätzen. Dabei beleuchten sie die Kindheit und das Kindsein in all seinen Facetten, die unbeschwerte Seite ebenso wie die dunkleren Episoden. Seien Sie gespannt auf einen inspirierenden Gedankenaustausch! Wir laden Sie herzlich zur Eröffnung ein, um die finalen Projektergebnisse im Rahmen einer öffentlichen Ausstellung zu erleben.
Kuration: Janine Arndt, Künstlerische Leitung Fresh A.I.R.
Ausstellungslaufzeit: 02. November 2024 – 30. März 2025
Ausstellungsort: Projektraum des URBAN NATION Museums, Bülowstraße 97, 10783 Berlin
Öffnungszeiten:
Dienstags + mittwochs 10 – 18 Uhr
Donnerstags – sonntags 12 – 20 Uhr
Montags geschlossen.
Erfahren Sie hier alles über die Projekte und Kunstwerke:
„Liebe Besucherinnen und Besucher,
herzlich willkommen zu »UNSUPERVISED: Childhood Dreams & Fantasy Rebels«, unserer neunten Fresh A.I.R.-Ausstellung, die Sie in die ungebändigte Welt der Kindheit und des Spiels entführt. In diesem unbeaufsichtigten Raum, fernab von festen Regeln und Vorgaben, entfaltet sich eine grenzenlose Fantasie, die Sie, liebe Besucherinnen und Besucher, einlädt, Kindheitsträumen zu begegnen, in denen die Grenzen zwischen Realität und Vorstellungskraft verschwommen sind und alles möglich scheint. Doch inmitten dieser Träume feiern wir auch die Rebellen, die in ihren Darbietungen die Regeln der Gesellschaft hinterfragen und mit Mut und Originalität neue Narrative erschaffen. Sie verkörpern den Geist des unkonventionellen Spiels, das uns daran erinnert, dass Kreativität und Widerstand Hand in Hand gehen können.
Kindliches Spiel ist mehr als ein Zeitvertreib; es ist ein schöpferischer Akt – quasi ein rebellischer Akt –, der uns erlaubt, in einer normierten Welt alternative Wege zu erkunden und uns neu zu erfinden. In dieser Ausstellung feiern wir nicht nur die Freude des Spiels, sondern auch sein subversives Potenzial: Grenzen infrage zu stellen, alternative Realitäten zu erschaffen und neue Perspektiven zu eröffnen.
Die 12 Künstlerinnen und Künstler aus 8 Ländern erkunden das Spiel als ein Instrument des kulturellen und gesellschaftlichen Diskurses, indem sie Fantasie und Realität miteinander verweben, um so neue Perspektiven zu eröffnen und uns neue Wege des Denkens und Handelns zu zeigen. Daneben wird die Kindheit als Inspirationsquelle genutzt, um künstlerische Freiheit und gesellschaftliche Utopien zu hinterfragen und neu zu entwerfen. Es werden künstlerische Projekte präsentiert, die kindliche Fantasie und gesellschaftliche Themen auf vielfältige Weise miteinander verbinden.
Um mehr über die hier präsentierten Arbeiten zu erfahren, werfen Sie einen Blick auf die Statements der Künstlerinnen und Künstler. Ich wünsche Ihnen viel Freude, beim Erkunden der Exponate, die einschließlich bis zum 30. März 2025 ausgestellt sind.“
Janine Arndt
Künstlerische Leitung Fresh A.I.R.
„Bei der Arbeit mit dem Thema »Kindheitsträume« war es nur natürlich, meine eigenen Gedanken und Träume aus der Kindheit wieder aufzugreifen, darüber nachzudenken, wie es sein würde, erwachsen zu sein und was ich beruflich machen würde. Dies ließ mich viel darüber nachdenken, wie weit ich gekommen bin, und half mir zu erkennen, dass ich viele der großen Träume, die ich damals hatte, bereits erreicht habe, wie zum Beispiel Künstlerin zu werden.
Es brachte mich zum Nachdenken: Wann habe ich angefangen, an mir zu zweifeln? Warum habe ich oft das Gefühl, dass in meinem Berufsleben mehr Misserfolg als Erfolg ist, obwohl ich schon weiter gekommen bin, als ich es mir als Kind erträumt habe? Natürlich passieren Dinge anders, als man es als Kind erwartet, aber warum ist mein Erwachsenenleben so stark von dem Gefühl geprägt, nicht gut genug oder erfolgreich zu sein? Ich habe alte und neue Arbeiten durchgesehen und diese Figur bemerkt, die seit vielen Jahren präsent ist. Dieses innere Dämonenwesen in Form eines schwarzen, formlosen Klumpens mit einem Auge und langen Händen, das nach mir greift und versucht, mich herunterzuziehen, hat mir geholfen, viele der Kämpfe, die ich durchgemacht habe, zu akzeptieren. Ich habe mich damit abgefunden, dass diese Figur immer ein Teil von mir und meiner Arbeit in verschiedenen Formen sein wird. Deshalb habe ich mich entschieden, zu feiern, welche positiven Dinge diese schreckliche, negative Stimme in mir und meiner Kunstpraxis hervorgebracht hat. Die Installation ist offen für das Publikum – sie kann berührt, gefühlt, gehört und betreten werden. Interaktive Installationen ziehen oft Menschen an, und ich finde Freude daran, dass dieses visuell dunkle Stück von Kindern bespielt wird, die mit den Händen Spaß haben und umherlaufen. Meistens sind es die Erwachsenen, die sich mit dem Thema der Installation auseinandersetzen und es als düster oder gar beängstigend empfinden.
Als Textilkünstlerin ist es mir auch wichtig, den Fokus auf Recyclingmaterialien zu legen und nicht zu viel Abfall zu produzieren, weshalb alle Textilien und Füllungen von Kunst-Stoffe-Berlin, Materialmarkt Pankow, einem Recyclingzentrum hier in Berlin, stammen. Die Klanglandschaft wurde von Anders Filtenborg geschaffen, der diese Klangkulisse aus Aufnahmen gemacht hat, die er während der Herstellung der Textilinstallation und der Objekte in meinem Atelier aufgenommen hat.“
Amanda Vesthardt
»Fitness für unbekannte Spezies: Die Extinction-edition«
Fitnessevent und Workout-Video
„Meine Ankunft in Berlin fiel mit dem Einschlag des Ribbeck-Meteoriten zusammen. Meine Mutter sah dies als ein Zeichen des Glücks. Mein Vater warnte mich, ich solle auf meinen Kopf achten. Zum Glück war es nur ein kleines Stück. Aber was, wenn dieses kosmische Ereignis verheerender gewesen wäre? Wir leben bereits in einer Welt voller Probleme, bedroht von Kriegen, nuklearer Strahlung und dem Klimakollaps. Das Letzte, was wir brauchen, ist ein Meteoritenfall! Die eigentliche Frage ist, was wir tun sollten. Abwarten und das Ende kommen lassen oder üben und uns vorbereiten?
Hast du dich jemals gefragt, wie es sich anfühlt, wie Strahlung zu pulsieren oder wie ein Vulkan zu explodieren? Weißt du, wie man wie ein Meteorit fällt und still wie ein ausgestopfter Dodo steht? Nun, hier ist deine einmalige Chance, all das zu lernen, indem du dich für unser neu entwickeltes Programm „Fitness für Unwahrscheinliche Spezies: Die Extinktions-Edition“ anmeldest. Ich werde dich durch eine Fitnessübung und eine lehrreiche Lektion führen, indem wir Entitäten nachahmen, deren Formen und Bewegungen eine Bedrohung für unsere Existenz darstellen. Zum Beispiel werden wir üben, wie man wie ein Meteorit fällt und wie ein Vulkan explodiert; wie man als schmelzender Gletscher reißt und still wie ein ausgestopfter Dodo steht.
Hast du Angst vor dem massiven Verlust der Biodiversität oder davor, dass uns ein Meteor trifft und unsere Existenz bedroht? Keine Sorge! Diese Formveränderungsübungen helfen dir auch, mit Öko-Angst umzugehen und dich auf die Probleme der Zukunft vorzubereiten!“
Andrea Palášti
Fitnesstrainerin: Andrea Palášti
Originalmusik: Fredrik Stjernqvist
Maskotten-Koordinator: Daniel Popovic
Das Muster der Kopfbedeckung basiert auf einem Foto des Ribbeck-Meteoriten, aufgenommen von Andreas Möller.
Hintergrundvideos und -bilder zur Verfügung gestellt von: Marcin Cimala, Manjezazaz, Shoaib Hassan, Martin Sanchez, Gylfi Gylfason, Zsolti Tamasi, Olenchic und Emily Willoughby
Ein besonderer Dank geht an die Berner Hochschule der Künste (HKB) für die Bereitstellung des Green-Screen-Studios.
In seiner künstlerischen Arbeit verknüpft Etienne Dietzel wissenschaftliche Diskurse mit wesentlichen Aspekten technischer Bildproduktion. Dabei arbeitet er interdisziplinär und bedient sich unterschiedlicher Medien.
Im Rahmen von Fresh A.I.R. hat sich Dietzel mit systemischen Bildern künstlicher neuronaler Netze (sog. KI) auseinandergesetzt. Grundlegend war hierbei der Diskurs um den repräsentativen Bedeutungszusammenhang der von diesen Systemen produzierten Zeichen, sowie die Problemstellung weitgehend automatisierter Bildgebungsprozesse.
Dazu wurden mit (sog.) KI generierte Bilder nach dem einfachen Spielprinzip »Malen nach Zahlen« in Ölmalerei übertragen. Im ursprünglichen Wortsinn einer klaren Handlungsanweisung entspricht dieses klar geregelte Vorgehen der Definition eines Algorithmus: Die nummerierten Flächen werden mit den entsprechenden Farben so lange ausgefüllt, bis alle Felder bemalt sind (for (int i=0; i<=felderGesamt; i=i+1) {felder [i]= farbe[i]};). Die einzelnen Farbflächen der Bilder sind dabei abstrakte Formen ohne Bedeutung, die erst im Zusammenspiel erkennbare Gegenstände oder Figuren bilden, was den Prozess der Bildproduktion zum mechanischen und gewissermaßen unbewussten Vorgang macht. Ebenso stellt das Modell der sogenannten KI, auf dem die Bilder basieren, lediglich auf formaler Ebene einen statistischen Zusammenhang zwischen den Farbwerten einander angrenzender Pixel her. Ein semantisches Verständnis für das hergestellte Muster, das Ähnlichkeiten mit dem Bildgegenstand erzeugt, ist dem System nicht eingeschrieben.
„Vom Verlust von Kontrolle und dem Versuch den Überblick zurück zu gewinnen. In einer Welt, die von urbaner Komplexität und menschlicher Dominanz geprägt ist, ringen tierische Protagonisten um ihren Platz. Sie sind Akrobaten der Anpassung, doch sind auch ihre Möglichkeiten begrenzt. So begeben sie sich auf die Suche.
Auf meinen Bildern trifft die unschuldige Welt des Kinderzimmers auf existenzielle Fragen. Wer bin ich und wo ist mein Platz in dieser Welt? Bauklötze, Bücher, Autos. Ich erschaffe Bildwelten, wie sie in Kinderzimmern tatsächlich zu finden sein könnten. Kleine Modelle der Realität. Doch was zunächst als harmonisches Idyll erscheint, zerfällt bei näherer Betrachtung. Wie feine Fäden ziehen sich kleine Geschichten durch meine Bilder, ein Netz aus Rätseln und Unausgesprochenem. So verliert sich das Auge in den Bildern. Findet keinen Halt, keine Ruhe um zu verweilen.“
Felix Lies
Ausgestellte Kunstwerke:
Flugstunde
Eine Ansammlung von Spielzeugen, zwischen denen eine Maus gedankenverloren auf einen Bildschirm starrt. Sie streckt ihre Arme aus, scheint sich bereit zu machen zu fliegen. Vielleicht wird sie gleich fortfliegen.
Besichtigung
Aufeinandergestapelte Kisten, in denen sich eine Giraffe verheddert zu haben scheint. Ein Plüschbär schaut unbeteiligt auf den Betrachter. Eine Stadt geschaffen für Unbekannte. Nur eins ist sicher, die Giraffe muss sich ganz schön verbiegen um hier irgendwie einen Platz zu finden.
„Meine künstlerische Reise verwebt meine Leidenschaften für visuelle Anthropologie, traditionelle Kulturen und urbane Identitäten. Durch eine Mischung aus Illustration, Keramik und Musik erkunde ich, wie kulturelles Erbe und historische Ereignisse persönliche und kollektive Erinnerungen prägen. Als polnische Illustratorin und Keramikkünstlerin mit Sitz in Leipzig lasse ich mich von meinem Studium der Philosophie, Ästhetik und Ethnomusikologie sowie meiner Faszination für Folklore inspirieren.
Mein jüngstes Projekt »We Are Not Playing War!« taucht in die komplexen Emotionen ein, die mit Kindheitserinnerungen verbunden sind, insbesondere an der Schnittstelle von Spiel, Trauma und kulturellem Geschichtenerzählen. Indem ich die Spiele und Folklore von Kindern durch puppenartige Keramiks skulpturen festhalte, möchte ich sowohl Nostalgie als auch Reflexion hervorrufen. Diese Skulpturen — über den Ausstellungsraum verteilt versteckt — stellen imaginäre Charaktere dar, die neue Geschichten über Berlin erzählen und die persönlichen Geschichten seiner Bewohner mit breiteren kollektiven Mythen verbinden.
Diese Arbeit ist tief verwurzelt in den Gesprächen, die ich mit Menschen aus Berlin geführt habe, wobei jede Skulptur ein einzigartiges und persönliches Fragment ihrer Kindheit verkörpert. Das Projekt spiegelt auch mein fortwährendes Interesse wider, moderne Mythen und neue Symbole zu schaffen, in denen die Unschuld des Spiels mit dem Gewicht historischer Traumata verwoben ist. Ich lade die Zuschauer ein, sich mit diesen Erinnerungen auseinanderzusetzen, die Geschichten neu zu konstruieren und so ihre eigene urbane Mythologie zu schaffen.“
Kasia Dudziak
Ausgestellte Kunstwerke:
UNSTOPPABLE (Modernes Mädchen Sisyphos)
Diese Skulptur stellt ein junges Mädchen dar, das einen großen Felsbrocken mit einem goldenen Springseil zieht. In Anlehnung an den Mythos von Sisyphos, der dazu verurteilt war, einen Felsbrocken bis in alle Ewigkeit bergauf zu schieben, symbolisiert das Werk die Last eines Kindheitstraumas. Das Mädchen, obwohl dynamisch und modern, wird von der unausweichlichen Schwere seiner Vergangenheit belastet. Das Werk spiegelt die Hartnäckigkeit früher emotionaler Kämpfe und die Auswirkungen wider, die sie im Laufe des Lebens haben.
UNITED (Moderner Narziss-Mythos)
In dieser Arbeit sitzen zwei ältere Männer Rücken an Rücken, verbunden durch ein goldenes Band in Form eines Kinderschnurspiels. Die Skulptur thematisiert einen ungelösten Konflikt und das Fortbestehen einer zerbrochenen Freundschaft aus der Kindheit. In Anlehnung an den Narziss-Mythos reflektiert sie die Spannung zwischen dem individuellen Ego und dem menschlichen Wunsch nach Verbundenheit und zeigt, wie persönliche Beziehungen durch frühe Erinnerungen geprägt sein können.
UNBELIEVABLE (Der Wal trägt Berlin)
Diese Skulptur ist inspiriert von einem russischen Volksmärchen über einen Wal, der dafür bestraft wird, dass er 30 Schiffe verschluckt. Hier trägt der Wal die Stadt Berlin auf seinem Rücken und symbolisiert damit das Gewicht der persönlichen und kollektiven Geschichte. Das Kunstwerk kommentiert die Schwierigkeiten, mit denen in Berlin lebende Zugewanderte konfrontiert sind, von denen viele das Gefühl haben, dass die Offenlegung ihrer Nationalität sie Vorurteilen aussetzen könnte. Dieses Werk verbindet Folklore mit zeitgenössischen Themen und betont die Last der Identität und des Traumas.
DAS GEWICHT DES GEDÄCHTNISSES (Auswahl aus einer Serie von 9 Illustrationen)
Diese Serie von 9 Siebdrucken erforscht das emotionale Gewicht der Erinnerung, dargestellt durch wiederkehrende Motive von Pflastersteinen. Jede Illustration stellt eine einzigartige Metapher für die Auswirkungen von Traumata und ungelösten Erfahrungen dar:
- Einzelner Pflasterstein – Ein einzelner schwarzer Pflasterstein, der eine tief traumatische Erinnerung symbolisiert, die sich unüberwindbar anfühlt.
- Gestapelte Pflastersteine – Ein Duo oder Trio von übereinander gestapelten Pflastersteinen, die unter ihrem kollektiven Gewicht zusammenbrechen und die überwältigende Last der vielschichtigen Erinnerungen verdeutlichen.
- 3 goldene Pflastersteine – Verstreute goldene Pflastersteine tauchen in der Serie auf und symbolisieren Momente der Heilung, des Wachstums und der Transformation. Sie stehen für die Möglichkeit des Wandels, die Widerstandsfähigkeit und die allmähliche Erleichterung von emotionalen Belastungen.
Jedes Werk der Serie reflektiert, wie sich persönliche Erfahrungen im Laufe der Zeit ansammeln und sowohl individuelle als auch kollektive Identitäten formen. dienen als kraftvolle Metapher für die unsichtbare und doch allgegenwärtige Last der Erinnerung, während die goldenen Pflastersteine auf Erholung und Erneuerung hinweisen.
»Paper Playground« hebt die Bedeutung des freien Zugangs zu natürlichen, öffentlichen Außenräumen und analogen Formen des Selbstausdrucks im Kontext wachsender mentaler und körperlicher Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit der intensiven Nutzung von Technologie hervor. Entwickelt aus einer visuellen Kartierung von Berlins Parks, Spielplätzen, Gärten und anderen Gemeinschaftsräumen durch vor Ort erstellte Zeichnungen und Fotografien, konzentrieren sich die Arbeiten auf die Möglichkeit von Begegnungen und Interaktionen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Altersgruppen und Kulturen, die diese Räume bieten.
Neben den zwischenmenschlichen Verbindungen beinhaltet der Prozess auch die Erkundung der natürlichen Umgebung mit einem Fokus auf das Beobachten und Darstellen natürlicher Elemente im Mikrokosmos, ihrer unterschiedlichen Muster und Texturen.
Papier wird aufgrund seiner Vielseitigkeit bei Techniken wie Schneiden, Falten und Pop-up als Konstruktionsmaterial verwendet. Die Schaffung von Arbeiten, die von Naturelementen, insbesondere Bäumen, inspiriert sind, führte zu einem Prozess der umgekehrten Transformation und symbolischen Rückführung des Materials zu seinem Ursprung.
Diese Fäden laufen im Schattengarten zusammen, einer interaktiven Installation, die als Treffpunkt zwischen einem Schattentheater und einem Sandspielplatz konzipiert ist. Die Papierschnittelemente schaffen einen kleinen Lebensraum, der die positiven Eigenschaften von Berlins großzügigen öffentlichen Naturräumen nachbildet. In dieser Umgebung ruhen oder interagieren verschiedene Figuren miteinander.
Die Teilnehmer sind eingeladen, einen kreativen Moment zu teilen, indem sie mit den Papierelementen und deren Schatten unter Verwendung mobiler Lichtquellen spielen. Jede Interaktion schafft ein einzigartiges, flüchtiges Muster, dessen Komplexität mit der Anzahl der Teilnehmer zunimmt.
»Paper Playground« ist eine Einladung, in unserer hektischen Umgebung zu wandern, zu erkunden und natürliche Rückzugsorte zu entdecken, sowie sich mit anderen unter den Schatten mächtiger Bäume zu verbinden.
»The Lava Trails‘ Atlas« ist ein exploratives Forschungsprojekt der Künstlerin und Architektin Nerea Ferrer, das spekulative Städte entwirft, die radikal inklusiv für alle Wesen sind – sowohl menschliche als auch nicht-menschliche – und die jenseits unserer zukünftigen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen existieren. Durch die Kombination von experimentellen Zeichnungen und textilen Techniken stellt das Projekt urbane öffentliche Räume neu vor, die auf sozialer Gerechtigkeit und Symbiose mit der Natur basieren.
Inspiriert von Ferrers jahrelanger Erfahrung an der Schnittstelle von Architektur und Kunst, teils in Zusammenarbeit mit Kindern, erforscht das Projekt die kreativen und spielerischen Gestaltungswünsche junger Stadtbewohner.
Im Zentrum des Projekts steht die Beziehung zwischen Berliner Kindern und ihren alltäglichen öffentlichen Räumen. Durch Workshops, Beobachtungen und Forschung fängt Ferrer ein, wie Kinder diese Räume durch Spielen nutzen, mit dem Ziel, Karten des zukünftigen Berlins zu erstellen. Die Hauptbotschaft des Projekts plädiert für urbane Räume, in denen Natur und gemeinschaftliche, spielerische Umgebungen Vorrang vor der heutigen kapitalistischen Infrastruktur haben. Indem sie Berlins Zukunft durch die Augen von Kindern neu imaginiert, hofft das Projekt, eine inklusivere, gemeinschaftszentrierte städtische Landschaft zu inspirieren, die alle Stimmen gleichermaßen stärkt.
Der künstlerische Ansatz – ein direkter Verweis auf unsere ersten Karten als Kinder: die städtischen Spielmatten – entsteht aus einer erwartungslosen, spielerischen Haltung, die die reine Kreativität widerspiegelt, die mit dem Motto »keine Angst zu scheitern« typisch für kindliche Prozesse einhergeht. In Bezug auf Materialien und Techniken experimentiert Ferrer mit Textilkunst, darunter Tuften, Nähen und Sticken, um ein kindliches Gefühl von Entdeckung und Selbstausdruck wiederzugeben. Mit diesen Materialien zu arbeiten war herausfordernd, besonders darin, die Kontrolle über das Ergebnis aufzugeben und den kreativen Prozess frei von Erwartungen zu gestalten. Dieser Wandel spiegelt das übergeordnete Ziel des Projekts wider: unentdecktes Terrain zu erkunden und Fehler als Teil des kreativen Prozesses zu akzeptieren, wie es ein Kind tun würde. Ferrer verwendet diese kindliche Perspektive, um dynamische und verspielte Kunstwerke zu schaffen, die Perfektionismus ablehnen.
»The Lava Trails‘ Atlas« erforscht zwei spezifische urbane Orte in Berlin, beide materialisiert in einer ersten topografischen und architektonischen Schicht und einer zweiten experimentellen Tapisserie, die die Beiträge und Gedanken von Kindern einbezieht:
- Future Forest konzentriert sich auf das Straßennetz um Westkreuz und das ICC, das derzeit von Autobahnen und autogerechter Infrastruktur dominiert wird. Ferrer stellt sich eine Transformation dieses Gebiets in einen begehbaren grünen Raum vor, in dem städtische und natürliche Landschaften in Symbiose koexistieren.
- Anti-Monument Playground imaginiert das ikonische Gasometer in Schöneberg neu. Ferrer schlägt eine alternative Zukunft vor, in der das Gasometer als multidimensionaler öffentlicher und spielerischer Raum für Menschen jeden Alters umgestaltet wird. Diese Transformation nimmt die Struktur aus ihren kapitalistischen Ursprüngen zurück und verwandelt sie in einen lebendigen Raum für Erholung und Spiel.
Das Projekt wurde von Architekten und Denkern wie Izaskun Chinchilla und Constant Nieuwenhuys (New Babylon) inspiriert, ebenso wie von Ferrers sechsjähriger Erfahrung als Teil des spanischen Kunst- und Architekturkollektivs Basurama.
Mit »The Lava Trails‘ Atlas« will Ferrer konventionelle Vorstellungen von Stadtgestaltung in Frage stellen und eine Vision von Städten fördern, die Spiel, Inklusion und ökologische Symbiose in den Vordergrund stellen. Durch die Kanalisierung der Fantasie und Wünsche von Kindern bietet das Projekt einen Entwurf für eine gerechtere und ökologisch ausgewogenere Zukunft.
„Ich habe ein Postmuseum geschaffen. In Grünau, direkt außerhalb von Berlin. Es heißt Kulturpostamt Grünau und befindet sich in einem renovierten alten Postamt. Hier finden Ausstellungen, Aufführungen, Workshops und gelegentlich sogar Tangoabende statt. Obwohl das Kulturpostamt Grünau fest in der lokalen Kulturszene von Grünau verwurzelt ist, ist es bereit, neue Horizonte zu erschließen.
Diana Pfeiffer, die Chefkuratorin und künstlerische Leiterin des Kulturpostamts Grünau, sendet eine E-Mail an 20 weitere Postmuseen in Europa und lädt sie zu einer internationalen Zusammenarbeit ein.
Es stellt sich heraus, dass eine beträchtliche Anzahl dieser Museen bereits geschlossen ist oder derzeit eine radikale Transformation durchläuft. Meist werden sie in ein moderneres, technologieorientiertes Museum integriert oder ganz geschlossen.
Neun der Museen antworten, und fünf von ihnen halten im vergangenen Jahr eine stabile E-Mail-Kommunikation mit Diana aufrecht. Sie teilen ihr Wissen und ihre Erinnerungen an die Vergangenheit der Briefkommunikation.
Am 3. Oktober 2024 schickte ich fünf handgeschriebene Briefe an meine „Partnerinstitute“, in denen ich meine wahre Identität offenbarte und um Vergebung dafür bat, dass ich sie getäuscht hatte. Ich habe bisher keine Antworten erhalten.
»Postmuseum International« begann als eigenwillige Performance zu Ehren der Mail-Art-Traditionen und reflektierte die Gefahren der Online-Kommunikation sowie die Unklarheit dessen, was wir im post-internet Zeitalter als real betrachten. Durch die Beiträge der Postangestellten und Museumsfachleute verwandelte es sich jedoch in ein melancholisches Dokument der wenigen verbliebenen Postmuseen in Europa – ein Schnappschuss der letzten Momente einer verblassenden Kultur, die auf einer aussterbenden Kommunikationsform basiert.
Ausschnitte der Nachrichten, die ich erhalten habe, sind auf transparentem Plexiglas gedruckt – irgendwo zwischen einem Bildschirm und einem Blatt Papier. Namen sind nicht angegeben. Wenn man genau hinhört, kann man einige von ihnen laut gesprochen hören.
Neben der Videodokumentation der Monate dieses Projekts ist in der Ausstellung auch eine Figur eines Postboten zu sehen – eine groteske, menschenähnliche Darstellung eines Kommunikationssystems, das auf menschlichem Kontakt basiert, ähnlich wie die Wachsfiguren in Postmuseen. Sein Outfit repräsentiert traditionelle Postbotenuniformen aus acht verschiedenen europäischen Ländern, die sich leicht unterscheiden, aber im Wesentlichen sehr ähnlich sind. Dazu trägt er eine Mütze eines Berliner Postboten.
Der Postbote ist die Verkörperung des fiktiven Postmuseum International und besitzt somit einen unbeweglichen physischen Körper sowie ein bewegliches holografisches Doppel, das endlos in der Leere der Virtualität umherwandert. Ein Pseudopostbote eines Pseudo-Instituts.“
Nóra Juhász
„Diese Installation, bestehend aus Erde, Zweigen, Blättern, Fundstücken und anderen Materialien wie Gips, Silikon und Latex, spiegelt eine düstere Fantasie oder einen Albtraum wider, der von kindlicher Vorstellungskraft inspiriert ist. Der Einsatz alltäglicher Gegenstände wie Energydrink-Dosen, einem Teddybär, einem Poesiealbum und Fragmenten von Fotografien und Gedichten erzeugt eine nostalgische, aber zugleich verstörende Atmosphäre. Die Kernstruktur besteht aus Pappe oder Gips, verstärkt mit schwarzem Heißkleber und anderen gefundenen Elementen, wodurch die Skulpturen eine Verschmelzung aus natürlichen und industriellen Texturen darstellen. Im Mittelpunkt steht das komplexe emotionale Gefüge von Kindern, ein Raum, in dem die Vorstellungskraft oft zwischen Licht und Dunkelheit schwankt.
Indem die Installation eine dystopische Zukunft ohne lebendige Natur heraufbeschwört, ist sie eine Meditation über den aktuellen Zustand unserer Welt und die Folgen menschlicher Handlungen. Sie zieht Inspiration aus den heutigen jungen Rebellen – Teenager, die auf die Straße gehen und eine lebenswerte Zukunft ohne Umweltzerstörung und ohne die Schrecken des Krieges fordern. Das Konzept betont, dass die Kindheit nicht nur eine sorglose Zeit ist, sondern eine Phase, in der man sich mit Emotionen auseinandersetzt, die genauso schwerwiegend sind wie die, mit denen Erwachsene konfrontiert sind.
Durch dieses Werk möchte ich die dunkleren und schwierigeren Emotionen von Kindern validieren und anerkennen, dass diese für ein Kind genauso natürlich sind wie positive Gefühle. Es ist eine Erinnerung daran, dass Kindern, wie Erwachsenen, erlaubt sein muss, ihr volles emotionales Spektrum auszudrücken, besonders in einer Welt, in der viele junge Menschen mit harten Realitäten konfrontiert sind – sei es Krieg, Umweltzerstörung, Armut oder instabile familiäre Verhältnisse. Meine Arbeit hinterfragt unsere Werte und unseren moralischen Kompass und fordert die Betrachtenden auf, darüber nachzudenken, wie unsere Kindheitserfahrungen uns prägen und welche Art von Zukunft wir für kommende Generationen schaffen.
Der Kontrast zwischen spielerischen und melancholischen Elementen in der Arbeit steht für Widerstandsfähigkeit – die Fähigkeit von Kindern, trotz Schwierigkeiten Freude und Kreativität zu finden. Dieses Kunstwerk ist eine Einladung zur Reflexion, nicht nur über die Zerbrechlichkeit der Kindheit, sondern auch über die Zerbrechlichkeit der Welt, die wir erschaffen. Es ist ein Aufruf zum Handeln, um sicherzustellen, dass die dargestellte dystopische Zukunft Fantasie bleibt und nicht zur Realität wird. Es erinnert uns daran, dass unsere stärksten Werkzeuge als Menschen unsere Vorstellungskraft, Verspieltheit und Kreativität sind, zu denen wir als Kinder den direktesten Zugang haben. Nur indem wir diese Qualitäten fördern, können wir beginnen, eine Zukunft zu gestalten, die es wert ist, in ihr zu leben.“
Sarah Schmidtlein
„Das Spiel von Kindern schafft oft einen Raum, in dem Grenzen getestet, Regeln gebrochen und der Nervenkitzel des Verbotenen sie anzieht. Durch ihr Spiel experimentieren Kinder gerne und sind neugierig darauf, was jenseits der strukturierten, überwachten Welt liegt. Jede Ära hat ihr eigenes unbeaufsichtigtes oder verbotenes Spiel. Im Nachkriegs-Berlin bauten Kinder Spielplätze aus Trümmern und Ruinen, in denen sie frei umherstreifen konnten. Nach dem Fall der Berliner Mauer in den 1990er Jahren entstanden in den leeren Räumen, wo die Mauer einst stand, neue Spielplätze, die den Kindern die Freiheit boten, jenseits der Kontrolle von Erwachsenen zu erkunden. Heute ist jedoch ein Großteil dieser freien, unbeaufsichtigten Erkundung verschwunden.
Moderne Städte sind gefüllt mit gestalteten Umgebungen—Parks und Spielplätzen, die wenig Raum für Abenteuer oder Herausforderungen lassen. Mit der Ausbreitung der Urbanisierung verschwinden die wilden Ecken der Stadt, und es bleiben Räume, die Erweiterungen der städtischen Struktur sind. Dennoch bleibt der menschliche Wunsch nach Flucht bestehen, und die heutigen Kinder finden diese Flucht oft in der Natur. In diesem Geist der Rückeroberung von imaginären Räumen wurde »Housing the Fox« geboren.
Sowohl eine physische Struktur als auch ein imaginärer Bereich bietet »Housing the Fox« einen Raum für Kreativität, Geschichten und Spiele. Wie die wilden, unbeaufsichtigten Bereiche der Vergangenheit lädt es Kinder und Erwachsene ein, ihre Ideen und Gedanken darauf zu projizieren. Das Projekt begann mit einer urbanen Erkundung und einer Reihe von Workshops mit Kindern im Alter von 3 bis 18 Jahren. Die ursprüngliche Forschung ergab, dass die meisten Spielbereiche stark strukturiert waren, sodass wir uns in den Workshops auf das konzentrierten, was weniger kontrolliert ist: weggeworfenes Mobiliar und Straßenobjekte, Baumaterialien usw. Diese »hässlichen« Objekte wurden zu Inspirationsquellen und in Gelegenheiten für kreatives Spiel verwandelt. Die Ergebnisse dieser Workshops führten zur Idee eines Hauses für ein wildes Tier, das unsere Umgebung bewohnt—den Stadtfuchs. Der Stadtfuchs erinnert an die Präsenz urbaner Wildtiere und ist ein Symbol für Anpassungsfähigkeit. Vor allem ist der Stadtfuchs eine Metapher für die Obdachlosen und Marginalisierten, die die übersehenen Ecken der Stadt durchqueren.
Im Kern zielt »Housing the Fox« darauf ab, Verbindungen zu fördern: zwischen Kindern und ihrer Umgebung, dem Urbanen und dem Wilden sowie zwischen weggeworfenen Objekten und ihrem Potenzial. Das Housing ist ein kollaborativer Raum, der die Grenzen zwischen öffentlich und privat, Mensch und Tier verwischt. Es lädt zur Reflexion über die verborgenen Leben innerhalb der Städte ein, wie den scheuen Stadtfuchs, der es inspiriert hat. Durch dieses Projekt wollen wir die Magie des unbeaufsichtigten Spiels in einer zunehmend kontrollierten Welt heraufbeschwören und einen Raum für Vorstellungskraft, Kreativität und Erkundung am Rande des urbanen Lebens bieten.“
Ivona Pelajić & Fredrik Stjernqvist (Studio Mono/mint)
»GEBAUT AUF SAND«
FREISPIEL-FORSCHUNG BERLIN
Viele sagen, dass Berlin die Spielplatz-Hauptstadt Europas ist. Man muss nur einen Blick auf die Anzahl der in den letzten Jahren veröffentlichten Spielplatzführer werfen. Tatsächlich verfügt die Stadt über eine Vielzahl faszinierender Spielplätze – ob thematisch oder nicht thematisch, strukturiert um vorgefertigte oder natürliche Spielelemente, oder unterschiedlich in Bezug darauf, wie sehr sie zur Risikobereitschaft anregen. Doch diese Vielfalt an Spielplätzen findet sich auch in anderen Städten. Was Berlin besonders macht, geht über die Spielplätze hinaus. Spielen endet nicht an den Spielplatzgrenzen, und Berlin hat eine lange Tradition gebauter (und ungebauter) Umgebungen, die freies Spiel unterstützen.
Um 1850, nachdem Friedrich Fröbels pädagogische Theorien Einfluss gewonnen hatten, wurden große Sandberge in öffentlichen Parks in ganz Berlin aufgestellt – das war der erste Moment in der Geschichte, in dem Spielelemente mit pädagogischem Zweck, frei zugänglich für alle, in öffentlichen Räumen eingeführt wurden. Sand, als frei formbares und natürliches Material, wurde zuerst von Fröbel wegen seines Bildungspotenzials erkannt und inspirierte später Generationen von Spielzeug- und Spielentwicklern. Dies führte zur Entstehung von »Sandbox«-Spielen und dem »Loose-Parts«-Prinzip in der Spielgestaltung. Das Konzept der »Loose Parts« (lose Teile) und das Schaffen von Möglichkeiten für Kinder, in urbanen Umgebungen mit natürlichen Elementen zu spielen, bildeten die Grundlage für die sogenannten Naturerfahrungsräume (NER). Diese offenen Naturflächen, ohne vorgefertigte Spielgeräte, wurden in den 2010er Jahren in Berlin eingerichtet und erlauben es Kindern, die Natur frei zu erkunden, zu manipulieren und mit ihr zu interagieren.
Aber Berlin ist auch eine Stadt, die räumlich alle Epochen der turbulenten Geschichte Europas im 20. Jahrhundert widerspiegelt. 1919 sah man Kinder mit Pflastersteinen auf den Barrikaden spielen, die zurückgelassen worden waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentieren zahlreiche Bilder Momente, in denen Kinder in den Trümmern spielten. Diese hochsymbolischen Momente des Umgangs mit Verfall und Überleben inspirierten ein ganzes Filmgenre, den sogenannten Trümmerfilm, wie Gerhard Lamprechts Irgendwo in Berlin (1946) oder Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns (1946). Das Spielen in den Trümmern oder auf Baustellen beeinflusste auch stark den Initiator des ersten Abenteuerspielplatzes, Carl Theodor Sørensen, der davon träumte, einen Spielplatz zu schaffen, der von den Kindern selbst gebaut wird. Nach seinem ersten erfolgreichen Experiment, einen solchen Spielplatz 1943 in Kopenhagen während der deutschen Besatzung zu gestalten, entwickelte sich die Idee der Abenteuerspielplätze zu einer internationalen Bewegung. Dies war in großem Maße der britischen Abenteuerspielplatzbewegung und den Bemühungen der britischen Landschaftsarchitektin und Kinderrechtsaktivistin Marjory Allen (Lady Allen of Hurtwood) zu verdanken.
Die Abenteuerspielplatzbewegung erreichte Berlin in der revolutionären Atmosphäre um 1968, was zur Errichtung des ersten Abenteuerspielplatzes in Westdeutschland im Märkischen Viertel, einem neu gebauten Viertel im Nordwesten Berlins, führte. Diese Ideen blieben jedoch nicht nur auf die westliche Seite der Mauer beschränkt. Die in Ost-Berlin ansässige Gruppe Spielwagen, die 1979 gegründet wurde, organisierte öffentliche Spielaktionen auf einer ähnlichen pädagogischen Grundlage und legte Wert auf Kreativität, Autonomie und gemeinschaftliches Handeln. Der erste Abenteuerspielplatz auf ehemaligem ostdeutschen Boden, Kolle 37, entstand 1990 aus dieser Praxis.
Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 eröffnete ebenfalls neue räumliche Möglichkeiten. Der Abriss der Mauer schuf weite Grünflächen im Herzen Berlins, die vormals tote Zonen in Gelegenheitsräume verwandelten. Künstlerinnen und Künstler, Aktivistinnen und Aktivisten und Mitglieder der Underground-Szene besetzten diese Flächen schnell, was zur Entstehung vieler Abenteuerspielplätze und Kinderbauernhöfe führte, die heute als bleibende Zeugen dieser turbulenten und kreativen Ära dienen.
Wenn Sie Schnappschüsse aus der Ausstellung oder Ihre Doodles aus der Kreativecke bei Instagram posten, verlinken Sie gern @urbannation_berlin & @stiftungberlinerleben und nutzen den Hashtag #UNSUPERVISED!